Was mir Angst macht.

Eine Woche nach der Silvesternacht war ich am Kölner Hbf, es war zur Feierabendzeit und dementsprechend voll, insbesondere an meinem Gleis. Seitdem ich vor einiger Zeit am Dortmunder Hbf von einem Teenager beklaut wurde, bin ich besonders vorsichtig bei größeren Menschenmasse. Mein Zug fährt ein und ich warte, bis alle anderen Wartenden eingestiegen sind als ein vielleicht arabischer Mann in meinem Alter auf mich zugestürmt kommt. Er spricht kein deutsch und bevor er mir klar machen kann was er von mir will, sage ich nur schroff ‚Nein!‘, drehe mich um und gehe Richtung Zug. Er kommt hinter mir her und in mir steigt Panik auf. Er holt mich ein und ich bin versucht schnell in den Zug einzusteigen, bis ich sehe was er in der Hand hat. Einen Ausdruck einer Bahnverbindung und er fragt mich auf englisch, ob das der richtige Zug sei. Ich bejahe und steige in den Zug und schäme mich.

Ich war nie überängstlich und sicher lebe ich nicht komplett ohne Vorurteile, bin mir dessen aber bewusst und kann Vorurteile von Fakten zumindest rational unterscheiden. Als ich im Zug sitze bin ich wütend über mein Verhalten und frage mich, wieso ich so dämlich reagiert habe – es ist ja auch nicht so, als wäre das der erste männliche Flüchtling gewesen, mit dem ich Kontakt hatte.

Es sind die Medien, die mich verderben. Es sind die nicht differenzierten Parolen, die auf Facebook aufploppen, es sind die doch eigentlich intelligenten Freunde, die rassistische Posts verfassen. Es ist die Menge, gegen die ich mich nicht wehren kann. Es wird so viel, dass es mir Angst macht.

Wenn ich nach meinem Job gefragt werde, antworte ich manchmal nur noch, dass ich in der Jugendhilfe arbeite und lasse das Detail aus, dass ich mit geflüchteten Teenagern zusammen arbeite, weil ich die Kommentare dazu nicht mehr ertrage. (Eine (ehemalige) Freundin fragte mich kurz vor meiner Einstellung, ob ich mit diesem Pack wirklich zusammen arbeiten möchte. Sie selbst kam mit Anfang 20 aus Bulgarien nach Deutschland um hier zu studieren.)

Ich schäme mich dafür, dass (syrische) Flüchtlinge am Kölner Hbf Rosen verteilen um sich bei den deutschen Frauen zu entschuldigen und gefühlt ganz Deutschland diese Aktion gutheißt. Ich finde es abscheulich, dass wir über eine Reduzierung der Flüchtlingszahlen sprechen und dabei ganz offensichtlich nur meinen, dass weniger Flüchtlinge unser Land erreichen. Ich finde es bedenklich, dass Deutsche sämtliche Ängste vorschieben (Angst um die eigenen Kinder, Angst um den städtischen Obdachlosen, Angst um die Alten, …), statt sich ihre eigene Angst vor Fremden einzugestehen. Ich finde es schwierig, dass die Medien nicht wissen wie sie mit ausländischen Straftätern in Berichterstattungen umgehen sollen, um nicht noch mehr Angst und Hass zu verbreiten. Ich bin froh, dass nächste Woche keine Bundestagswahlen sind. Ich weiß nicht ob es nur mir so geht, aber ich empfinde das Wort Flüchtling seit 2015 als negativ konnotiert, überstrapaziert und degradierend. Ich befürchte, dass hauptsächlich die Menschen ihren Fremdenhass im Netz verbreiten, die eigentlich gar keinen (persönlichen) Kontakt zu geflüchteten Menschen haben. Ich bin dankbar, dass ich in einer Stadt wohne, die sich abgesehen von ihren 20 Nazis durch Hilfsbereitschaft, Mitgefühl und Tatkraft auszeichnet.

 

 

 

Veröffentlicht unter Bahngeschichten | Verschlagwortet mit , , , , | Kommentar hinterlassen

Na!

Gerade jetzt, genau in diesem Moment, sitze ich im Zug Richtung Dortmund.
Livebloggen, sozusagen. Ich hätte ja einfach dies & das auf ello schreiben können, das funktioniert in meinem mobilen Browser aber nicht. Das Lesen da drüben geht aber gut und ich freue mich sehr darüber, von einigen mal mehr als 140 Zeichen in einem Rutsch zu lesen.

Eigentlich wollte ich nur loswerden, dass heute ein Lama Futter aus meiner Hand gefressen hat. Während ich dem Tier meine Hand hin hielt, hatte ich leichte Todesangst, sagte meiner 2-jährigen Nichte aber, dass das doch gar nicht gefährlich ist. Da ich das Füttern vom ersten Lama überlebt hatte, zwang sie mich die anderen Tiere auch zu füttern. Dann hatte ich ungefähr anderthalb Stunden Lamaspeichel an den Händen, bis ich sie Zuhause waschen konnte. Morgen habe ich dann wieder Akne.

Der Zug ist angenehm leer, aber es braucht ja oft nur einen Menschen um mich zu nerven. Diese Aufgabe übernimmt heute der Mann ein paar Sitze weiter, der ein Telefon mit Tasten besitzt. So ein Telefon, bei dem man die Tastentöne nicht auf lautlos stellen kann, weil die Geräusche tatsächlich beim Tippen mechanisch erzeugt werden. Ich habe im Zug schon oft fremden Menschen gezeigt, wo und wie sie ihre Tastentöne ausstellen können und damit vermutlich mehrere Kriege verhindert. Diese Menschen sind mir dann sehr dankbar, auch wenn sie es nicht immer so ausdrücken können. Eine Frau sagte tatsächlich mal, sie würde die Tastentöne gar nicht hören. Da haben dann ich, und die 47 anderen Menschen im Abteil sehr laut geschmunzelt.

Ach guck mal, wir sind schon in Düsseldorf, das geht ja heute fix. Leider steigt ein betrunkener Singtrupp ein. Und andere Betrunkene. Alkohol ist am Wochenende ja sehr verbreitet.

Jetzt ist es aus mit der Ruhe und ich wünsche mir den Mann mit den Tastentönen zurück. Der ist aber geflüchtet, weil er schlau ist.
Die Klimaanlage funktioniert in diesem Zug übrigens hervorragend. Es ist richtig schön kalt hier. Da wird man wenigstens nicht so müde und wird dann schlafend auch nicht aus Versehen ausgeraubt.

Der Trupp Männer singt ein Lied über den Westerwald, im Chor. Eine Frau fragt in die Runde, ob jemand Lust hätte, die Mauer wieder mitaufzubauen. Sie hätte noch 25 Tage Resturlaub, da müsse doch was zu machen sein.

Wisst ihr, worauf ich mich freue? Auf ein eigenes Auto. Auf stundenlanges im Stau stehen und teure Spritpreise, auf verzweifelte Parkplatzsuchen und zugefrorenene Fenster.

image

Veröffentlicht unter Uncategorized | Kommentar hinterlassen

„Warum?!“

Meistens muss man erstmal irgendwohin fahren um irgendwo anzukommen.

Ständig bin ich Zug gefahren, ständig die gleichen Strecken. Aber darüber will ich jetzt gar nicht reden.
Schon in der 1. Klasse fand ich die Schule irgendwie gemütlich. Alles hatte seinen geregelten Ablaufplan und meine Freunde und auch die anderen Kinder, wurden jeden Tag gezwungen auch in die Schule zu kommen. Ich fand es dort so gemütlich, dass ich schon damals beschloss später mal Lehrerin zu werden. In der Pubertät gab es dann mal ein nicht ganz so gemütliches Schuljahr, weshalb ich dieses dann wiederholte und dann wollte ich noch immer Lehrerin werden. Nach dem Abitur schrieb ich mich dann an der Uni für meine Lieblingsschulfächer ein (Pädagogik, Englisch & ev. Religion) und studierte diese von da an auf Lehramt für Gymnasien und Gesamtschulen. Das war aber überhaupt nicht gemütlich. Kurz vor dem Abi wollte ich dann doch auch Sozialpädagogin werden, das redete mir aber irgendwer aus mit der Begründung, als Sozialpädagogin würde ich eh nur eine Anstellung in einer JVA finden, dort würde ich mich in einen Insassen verlieben und alles wäre katastrophal. Das wollte ich nicht, also ließ ich es bleiben. Das Theologiestudium ließ ich dann aber auch irgendwie bleiben, weil ich den Scheiß doch nicht unterrichten wollte. Das Anglistikstudium baute mich auch nicht wirklich auf, da es hauptsächlich aus Themen bestand, von denen ich überhaupt nichts wissen wollte. Ich studierte auch nicht nach Prüfungsordnung, ich suchte mir jedes Semester Veranstaltungen raus, die mich wirklich interessierten und sammelte Scheine über Scheine. Mit jedem Semester wurde ich unglücklicher und verzweifelter. Nebenbei arbeitete ich an einer Hauptschule und fing an, unser Schulsystem zu hassen – weil Schüler/innen stigmatisiert und Lehrer/innen ausgebrannt wurden. Ich machte mein Praktikum an meinem alten Gymnasium und sah die Lehrer und Lehrerinnen von Klasse 7 zu Klasse 11 hetzen, überfordert mit Problemschülern. Ich sah 5. Klässler überfordert mit schlechtem Englischunterricht, während die Parallelklasse den motiviertesten und besten Englischunterricht bekam, den man sich wohl wünschen kann. Ich sah vor allem, dass keine Zeit da ist. Keine Zeit, um Probleme zu lösen oder richtig hinzuschauen. Aber das steht ja auch nirgends im Lehrplan. Das alles war so gar nicht mehr gemütlich.
Ich fing an nachzudenken. (Endlich!) Mittlerweile war ich im 12. Semester und hätte schon fertig sein können. Meine Akkus waren leer. Neben dem Studium arbeitete ich viel und fuhr ständig Zug. Mir war mein Leben zu anstrengend und ich kam mir so deplatziert auf dieser Welt wie nur irgendwie möglich vor, aber ich funktionierte noch. Nicht mehr für mich, sondern für andere, weil ich dachte, ich müsse mich vor irgendwem rechtfertigen. Das machte alles nur schlimmer. Dann gab ich eine Hausarbeit in Anglistik ab, die ich innerhalb von zwei Tagen und Nächten geschrieben hatte und versprach mir, dass wenn ich durchfiel, ich es endlich sein lassen würde. Drei Wochen und eine Email später schmiss ich das Studium.

Ich arbeitete ein Jahr, fuhr noch mehr Zug und stand in einer Parfümerie in Düsseldorf als mein Bruder mir am Telefon den Zulassungsbescheid für das Studium der Sozialen Arbeit vorlas. Eine Woche später saß ich zum ersten Mal in der FH, zwei Monate später zog ich nach Dortmund. Jetzt muss ich kaum noch Zug fahren. Und viele meiner Kommilitoninnen freuen sich schon auf die Arbeit in der JVA. Mein aktueller Notendurchschnitt hat eine 1 vor dem Komma, ich kenne die Prüfungsordnung auswendig und ich glaube, in meinen Zehenspitzen macht sich langsam Zufriedenheit breit.

Das ist die vereinfachte Antwort, wenn mich mal wieder jemand fragt „Warum?!“.

 

Veröffentlicht unter Uncategorized | Kommentar hinterlassen

Hallo ihr Lieben, seid nett zueinander.

Wenn ich in Dortmund zur Metro laufe in Richtung Borsigplatz, muss ich über eine kleine Brücke rüber. An der Mauer dieser kleinen Brücke steht in riesigen Buchstaben ‚Hallo ihr Lieben, seid nett zueinander‘. Die ersten male lächelte ich über diese naiv-fromme Bitte, jetzt möchte ich sie aber mit viel Ernsthaftigkeit propagieren.

Dieses Jahr kam ich oft tagelang nicht dazu Nachrichten zu lesen oder zu sehen, es war fast erleichternd. Leider ist es sozial nicht verträglich ein Leben innerhalb einer Käseglocke zu verbringen und nur weil ich keine Nachrichten lese, passieren Dinge trotzdem.

Ich starre auf die aktuellen Bilder aus Kriegsgebieten und ich kann es nicht glauben. Zerfetzte Kinderkörper. Lest das nicht nur, stellt es euch vor.

Es ist fast 2013, wir sind technisch auf einem für mich unvorstellbaren Stand und moralisch scheinen wir zu verkümmern. Ich weiß schon, ihr seid ja nicht schuld am Krieg. Aber!

Atmet öfter mal tief durch, statt einen gemeinen Kommentar zu sagen oder schreiben. Die Rentnerin an der Kasse vor euch ist vermutlich auch jemandens Oma. Und wenn wir mal alt sind, werden sie uns auch die Zeit geben müssen, die wir brauchen. Die Bloggerin, die ein Buch schreibt, dass dir nicht gefällt? Mich interessiert weder das Buch noch dein boshafter Kommentar dazu. Ein Promi stirbt und dir fällt ein witziger Kommentar dazu ein? Behalte ihn für dich. Es ist im Internet nicht unwahrscheinlich, dass einer seiner Freunde das lesen muss. Oder seine Eltern. Auch Witze über Äußerlichkeiten sind ein Armutszeugnis.

Neulich ergab es sich, dass ich mit vier Schülerinnen über eine Schlägerei sprach, an der eine der anwesenden schuld war. Zurecht, wie sie fand, das andere Mädchen hatte ihre Mutter beleidigt. Sie wollte mich und mein Hauptargument, dass ich ihre gewalttätige Antwort ausschließlich als dumm bezeichnen kann, ausbremsen indem sie sagte, dass sich ja wohl jeder Mensch schon mal geschlagen hat. Die anderen Mädchen nickten. Das ist das eigentlich Fassungslose, dass die Mädchen sich sicher waren, dass Gewalt auf die ein oder andere Weise zum Leben dazugehört. Damit kann und will ich mich nicht abfinden.

In Zeiten von Castingshows die ihre Unterhaltsamkeit aus den Unzulänglichkeiten ihrer Teilnehmer ziehen, ist es vielleicht kein Wunder, dass wir so verkommen. Natürlich gehört Lästern zur Gruppenbildung, es ist aber lange keine Rechfertigung gemein zu werden. Unsere Sprache enthält viel Gewalt, ohne dass sich die meisten darüber bewusst sind. Das krasseste Beispiel ist für mich immer noch vermeintlich gebildete Menschen, die ein „Geh sterben!“ vor Wut oder was auch immer hervorbringen. Ohne Worte. (Linguistisch gesehen gibt es bessere Beispiele. Denkt einfach mal darüber nach, für was alles wir das Wort ‚Kampf‘ verwenden, auch für positiv belegte Dinge, was ja eigentlich einen Widerspruch darstellen müsste.) Es ist jedenfalls nicht nötig, noch mehr Gewalt in unsere Sprache zu bringen.

Was ich sagen will: manchmal ist es egal, ob man Schläge verteilt oder Gemeinheiten, beides wirft uns menschlich zurück. Es ist so einfach nett zu sein, sogar zu dicken, alten, humorlosen und Leggings-tragenden Menschen. Das wäre doch ein schöner Vorsatz für 2013.

Disclaimer: ja, ich schreibe das auch für mich.

Veröffentlicht unter Andere Geschichten | Verschlagwortet mit , , , | 3 Kommentare

Die Sache mit dem Klopapier

Dieser Beitrag fängt bloß mit einer Zugfahrt an, alle Bahnfetischisten können die übrigen Paragraphen mit gutem Gewissen überspringen.

Eigentlich sollte ich im Zug nach Hamburg sitzen, sitz ich aber nicht. Mein Zug fährt bis nach Gerolstein, ich steige aber kurz vorher aus. Also kurz vor der Eifel. Irgendwann kommt die Schaffnerin, mit einem riesen Hallo. Und das ganze Abteil so „Hallo!!!“. Ja, mit drei Ausrufezeichen. Dann entbrannte ein Gespräch darüber, wie freundlich alle sind und wie wunderschön das ist und das Feierabend trotzdem super ist und dann ging es irgendwie um den Schwager der Schaffnerin und ich befürchtete, wir würden gleich schunkeln und singen. Meine persönliche gute Laune wurde bloß getrübt, als die ehrenwerte Mitfahrerin hinter mir einen Apfel aß. Ich meine, einen Apfel. Kennt ihr das eklige Tafelkreidequietschen der Mathelehrer? Das ist mein Fremdeleuteapfelessen. (Ich habe Buchstaben auf der Tastatur gesucht um das Geräusch zu verdeutlichen, erfolglos.) Dann wird mein Bahnhof angesagt und ich frage ins Blaue des freundlichen Abteils hinein, ob das auch wirklich mein Bahnhof ist oder ob es einen zweiten gibt. Das freundliche Abteil lacht freundlich.

Im Nieselregen ziehe ich einen Koffer hinter mir her, um die Schulter einen vollgepackten Weekender und in der freien Hand mein Handynavi. (Sagt man doch so?!) Achtzehn Minuten vom Bahnhof bis zum Hotel. Meist bergauf, aber das sagt mir das Navi vorher nicht. Auf dem ersten Blick sehe ich, dass das Örtchen ein in sich geschlossenes Ökosystem ist. Es gibt alles was man für seine persönliche Idylle braucht aber nichts doppelt. Ein so nettes Örtchen, ich freue mich auf mein Hotel.

Das Hotel sind sieben Zimmer über einer Gaststätte. Das war abzusehen bei der Buchung, stand ja auf der Internetseite. Die Gaststätte ist eine Raucherkneipe und die Tür zum Flur von dem die Zimmer abgehen lässt sich nicht schließen. Ich werde nach meiner ersten Nacht aufwachen und mich fühlen, als hätte ich auf der Theke des Raucherclubs geschlafen und Dreiquadrilmillionen (???) Rocker und Jumbo Schneider hätten versucht, den größtmöglichen Bestand an Kippen wegzurauchen, den die Welt je gesehen hat. Ach ja, ich rauche nämlich gar nicht.
Beim Betreten des Zimmers weiß ich das ja noch nicht. Ich sehe bloß die Einrichtung, die meine Oma vor 25 Jahren schon schlimm gefunden hätte. Aber sei’s drum, ein Bett und ein Bad, das reicht. Wobei halt. Die Sache mit dem Klopapier. Das existiert nicht. Die leere Rolle von den Vorschläfern hängt da wohl noch, sonst nichts. Da ich die Angewohnheit habe, mir immer sofort alle Kleider vom Leib zu reißen sobald ich zu Hause bin, konnte ich auch nicht mehr runter mich beschweren. Ich hatte ja auch noch zwei, drei Tempos.
Als ich nächsten Tag von der Arbeit komme, wegen der ich ja überhaupt nur da bin, wurde kein Klopapier nachgeliefert. Ich war wieder bereits nackt und faul und dachte kurz an die Frotteetücher. Gut, dass ich diesen Gedanken nicht umsetzte, die wurden nämlich nicht gewechselt. Wie lange käme ich wohl mit einem weiteren Taschentuch aus? Ich würde den Wirt nächsten Tag beim Frühstück ansprechen.
Das war dann der Feiertag und ich wollte irgendwie auch keinen Stress machen an einem Feiertag also lief ich vier Kilometer zum nächsten Mcdonalds, kaufte ein Eis und stopfte mir Klopapier in die mitgebrachte Tasche.
Zurück im Hotel war das Bett gemacht, dazu fand ich einen kleinen Infozettel. „Lieber Gast, bitte beachten Sie, dass Sie bei Buchung eines Einzelzimmers 12€ Aufschlag zahlen müssen, wenn Sie beide Bettdecken benutzen.“ Sinngemäß. Tatsächlich hatte ich nach der ersten Nacht beschlossen, die andere Bettseite zu benutzen. Und beide Kissen. Der Zettel hatte den Weg in mein Zimmer gefunden, nicht aber das hoteleigene Klopapier.
Vorletztes Frühstück. Den Wirt jetzt noch darauf anzusprechen wäre auch irgendwie albern. Ich suche im Frühstückssaal meinen Platz und kann ihn nicht finden, der Wirt kommt und sagt, ich solle ihm folgen. Ich frühstücke diesen morgen alleine, in der Raucherkneipe. Ich frage einfach nicht warum. Der Hund der Wirte steht das Frühstück über auf meinen Füßen und auch da frage ich mich nicht warum. Ich versuche krampfhaft nicht daran zu denken, dass ich Hunde nicht mag weil ich Angst habe, das Hunde doch Gedanken lesen können.

Heute dann, am letzten Abend, hängt eine frische Rolle Klopapier im Bad. Ich trau mich gar nicht ran.

Veröffentlicht unter Uncategorized | Kommentar hinterlassen

Kein Grund sich aufzuregen

Eigentlich weiß ich gar nicht mehr, was genau wir in Venlo wollten, wahrscheinlich bloß Zeit totschlagen und eine Pommes zu Mittag essen, oder einfach bloß dieses gute Volk nochmal aus der Nähe anschauen. Die Holländer sind wirklich gute Menschen.
Als wir in Dortmund in den Zug stiegen, stieg mit mir noch die Hoffnung ein, dass etwas passieren könnte, über das ich mich dann empörend aufregen könnte. Irgendwas, ich bin da gar nicht anspruchsvoll. Vielleicht ist das sowas wie ein Ventil, dass ich mich über die Bahn aufrege, damit ich meine unschuldigen Mitmenschen verschonen kann, aber eigentlich ist es doch anders rum, wenn man erstmal drin ist in diesem Aufregen, dann lässt das einen so schnell nicht los. Ich kann mich sehr gut über verschimmeltes Obst beim Lidl aufregen und ende nachher in einem Plädoyer für Pazifismus und über fehlende Moral in unserer Welt. Aber nichts, wirklich nichts, die Bahn fährt pünktlich ab, wir bekommen unseren Anschluss, kein Kontrolleur der unsere Zusatztickets in Frage stellen möchte, nein, wirklich überhaupt gar kein Kontrolleur.
Enttäuscht esse ich meine Pommes und eine Gulaschkrokett.

Ach, was soll ich sagen, die Rückfahrt fängt an wie die Hinfahrt endete, in einem trist geregeltem Ablauf, nicht einmal Schulkinder belästigen uns. Dann steigen Zivilpolizisten ein, aber wir sehen zu deutsch und zu gut bürgerlich aus, als dass sie uns kontrollieren möchten. In Gedanken gehe ich das Gespräch durch, wie ich mich dann aufgeregt hätte, wenn sie mich hätten kontrollieren wollen, immerhin bin ich Studentin, angehende Lehrerin, was sie sich denn denken, aber sie sehen mich ja nicht mal an. Auch das Umsteigen funktioniert wieder ohne Probleme, ich erzähle, wie böse ich geworden wäre, wenn das nicht geklappt hätte, dass man an dem Bahnhof in Viersen ja auch wirklich gar nichts machen kann um eine ganze Stunde zu überbrücken, und dass es wirklich ein Glück ist, dass sofort unser Zug kommt.

Und dann steigen wir ein und nicht einmal Flaschensammler stören uns, wobei, die stören ja eigentlich eh nicht, die sammeln ja bloß die Flaschen. Dann endlich kommt die erlösende Durchsage, der Zug muss umgeleitet werden weil wohl ganz Rheinhausen brennt oder zumindest der Teil, an dem unser Zug vorbei muss, und wir fahren jetzt über Düsseldorf, halten da aber nicht sondern erst wieder in Duisburg. Dann war ich aber doch zu müde um mich aufzuregen und für mich ergab sich auch kein Nachteil, ich wollte ja erst in Bochum aussteigen. Dann sagte der Schaffner das nochmal durch, damit wirklich alle Fahrgäste das auch mitbekommen un keine Missverständnisse aufkommen und dann ging es los. Zwei Frauen, die sicher auch schon den ein oder anderen Vaterschaftstest bei Britt haben machen lassen, waren ganz außer sich als sie mitbekamen, dass sie plötzlich in Düsseldorf waren. Dass man das ja nicht machen könne, dass sie nun gefangen seien und ob der Zug denn nochmal nach Duisburg zurück fahren würde oder ob sie jetzt bis nach Hamm fahren müssten und dass ihre Tickets soweit gar nicht gelten. Die 40€ für’s Schwarzfahren würden sie mit Sicherheit nicht bezahlen, soweit käme es ja noch. Panik ist viel ansteckender als Grippe und dann waren da die beiden 13-jährigen Jungs die gar nicht wussten, wo Hamm überhaupt ist und da sie eh keine Tickets hatten war das eigentlich nicht so schlimm, aber sie würden sicher zu spät nach Hause kommen. Die Frauen waren außer sich, gefangen in Hysterie malten sie sich die schlimmsten Horrorszenarien aus, wie es erstmal wäre wenn sie dann in Hamm seien. Dann fragte ich mich, wie man sich nur so aufregen kann und dass ihnen die Dummheit schier ins Gesicht gemeißelt ist. Der Spaß wurde mir aber schnell zunichte gemacht, als eine weitere Mitmenschin den beiden erklärte, dass es nicht nur die eine Zugschiene gibt, die nach Duisburg fährt, dass man auch von der anderen Seite dorthin kommt zum Beispiel. Kurz zweifelten die beiden, dann aber glaubten sie es doch, vielleicht auch, weil der Zug dann in Duisburg einfuhr. 36 Minuten Verspätung, alles in allem aber wirklich kein Grund sich aufzuregen, leider.

Und ach ja, wie wir so über Düsseldorf umgeleitet wurden, brannte auch was, aber wohl nur eine Lagerhalle und zu weit weg, das kann mit ganz Rheinhausen in Flammen natürlich nicht mithalten.

Veröffentlicht unter Bahngeschichten | Kommentar hinterlassen

<3

http://www.ndr.de/regional/niedersachsen/hannover/ice155.html

Veröffentlicht unter Bahngeschichten | Kommentar hinterlassen

Kotze

Das Innere des Zuges sah so ähnlich aus, wie es nach Thessas Geburtstagfeier auf den Straßen ausgesehen haben muss. Ein bisschen schlimmer vielleicht.

Ich stehe am hinteren Ende des Bahnsteigs, die meisten Zugfahrenden nehmen sich nicht die Zeit den Bahnsteig bis zum Ende zu gehen, sie stehen immer da,wo die Treppe sie hinführt. Als der Zug einfährt sehe ich auch direkt, dass ich, wie immer natürlich, die richtige Entscheidung getroffen habe. Mit mir wollen nur drei, vier andere in das letzte und vollkommen leere Abteil einsteigen. Ich habe eine anstrengende Woche hinter mir, ich habe mir das verdient.

Die Tür öffnet sich, es steigen zwei Partyjungs aus und wünschen uns lachend ‚Viel Spaß da drin!‘. Ja klar, es ist schon recht warm, die Klimaanlagen tun vielleicht nicht ihren … aber nein. Nein. Wir steigen ein und sehen, nein zuerst riechen wir es. Kotze. Das Abteil stinkt nach Kotze. Der Zug kommt aus Bonn und hat die Rheinkulturbesucher dort abgesetzt, diese haben leider nicht alles mitgenommen, was sie mit in den Zug brachten. Während ich mir wehmütig einen Platz ein Abteil weiter inmitten einer Ausflugsgruppe vorpubertierender Jugendliche suche, die sich gegenseitig mit Gurken bewerfen, trauen sich Flaschensammler in das kontaminierte Abteil. Sechs Flaschensammler haben an diesem Tag in diesem Zug ihren Monatsumsatz gemacht, habe ich gehört.

In Düsseldorf dann nahm sich die DB Sicherheit dem Problem an. Entschlossen betraten sie das Abteil um nur wenige Sekunden später zu entscheiden, dass sie doch bloß vor der Tür stehen bleiben, um die Fahrgäste vorzuwarnen. Sicherheit geht vor.
Bei Duisburg dann musste ich vermuten, dass der Kotzegeruch um einiges abgeklungen ist, vereinzelte Fahrgäste blieben im Abteil, wenn auch nur im oberen Bereich.

Ich mag Kotze ja nicht.

Veröffentlicht unter Bahngeschichten | 2 Kommentare

Ein Wintermärchen. Oder: Ein ganz normaler Tag.

Es war ein grausamer Winter. Es war furchtbar, es war Chaos, ein heilloses Durcheinander, es war kaum auszuhalten. Zumindest nicht als Bahnfahrer.

Es sind -10 Grad in Dortmund, und in Bochum auch, wie ich später leidvoll feststellen werde. Ich habe 90 Minuten um zur Messe Essen zu kommen. Das sind 60 Minuten mehr als benötigt. Und trotzdem werde ich zu spät kommen.
Dass ein Regionalexpress nur bei Sonnenschein und milden Temperaturen seine Strecke anstandslos fährt, damit habe ich mich bereits abgefunden. Da kann man sich dann ja drauf einstellen. Ich setze mich also beherzt in die SBahn, denn die ist in diesem Frost ein Wunder der Technik und fährt beispiellos über die vereisten Gleise. In Bochum findet die Fahrt dennoch ein jähes Ende. Durch die laute Musik die aus meinen Kopfhörern kommt, dringt nur brummend die Stimme des Lokführers über den Lautsprecher. Missmutig unterbreche ich mein Frühstück und verstehe noch so viel, dass irgendwo im ersten Waggon eine unbekleidete Frau im Sterben liegt. (Es folgt ein verzweifelter Aufruf, ein Arzt oder eine russisch oder polnisch sprechende Person möge doch nach vorne eilen, ein russisch oder polnisch sprechender Arzt wäre Jackpot.)
Wir werden gebeten auf den verspäteten Zug zwei Gleise weiter umzusteigen. Da der aber verspätet ist, warten ich und andere schlecht gelaunte und halb erfrorene Menschen 30 Minuten. Es halten und es fahren zwei ICEs ab, wir dürfen nicht einsteigen. Der Bahnmitarbeiter, der in einem warmen Häuschen sitzt über dem Service & Information steht, hat es nicht so gerne, wenn wir ihm Fragen stellen. Denn dafür müssen wir die Tür öffnen und… Eh klar.

In der Zwischenzeit fährt die SBahn weiter, nachdem ein Notarzt die nackte Frau gerettet hat. Ohne mich. Und ohne eine Info. Trotz der Kälte brennt in mir eine Sicherung durch und ich wage mich, die Türe des Bahnmitarbeiterhäuschens zu öffnen. Ich frage den Bahnmenschen, welcher Teil von Service & Information ihm eigentlich eher liege. Ob er mal darüber nachgedacht hat, ob das denn der richtige Beruf für ihn sei. Er nuschelt etwas und schließt die Tür.

Nach ewigen 45 Minuten bei -10 Grad fährt dann der RE ein, der zu Anfang mit 10 Minuten Verspätung angekündigt worden war. Es ist schon verrückt, dass sobald die ICEs erstmal weg sind, die Bahn dann doch weiß, dass die Verspätung mehr als 20 Minuten beträgt. Mit aller Kraft versucht man das niedere Bahnvolk aus den Fernverkehrszügen rauszuhalten.

Das hatte auch nicht ganz so gut in Mannheim geklappt. Auch dort fuhr an einem besondes schneehaltigem Tag kaum ein Zug und als dann endlich ein ICE einfuhr der auch am Frankfurter Flughafen halten sollte, machte die Bahn die Ansage, dass der Zug für alle Passagiere freigegeben sei. Dass dann auch alle Passagiere einsteigen würden, damit hätte die Bahn ja nicht rechnen können. Der ICE war innerhalb weniger Minuten überfüllt mit Menschen, die ihren Anschlussflug nicht verpassen wollten. Es gab eine neue Ansage durch die Bahn, der Zug würde erst abfahren, wenn alle Passagiere ohne gültiges Ticket wieder ausgestiegen sind.
Der bis dahin pünktliche ICE fuhr mit 90 Minuten Verspätung ab. Auch so kann man sich Freunde machen.

Veröffentlicht unter Bahngeschichten | Kommentar hinterlassen

Samstagabend.

Gerade fängt die Siegerehrung der ‚Night of the Jumps‘ in der Köln Arena an, als ich auf die Uhr gucke. 22:42h. ‚Wann kommt der Zug?‘, frage ich ihn. ‚In zehn Minuten.‘

‚Du hast doch gesagt wir schaffen den Zug‘ ruft er mir hinterher rennend zu. ‚Schaffen wir ja auch. Wenn wir weiter rennen.‘

Wir erreichen den Bahnsteig als der RE nach Dortmund einfährt. (Okay, es war so. Ich erreiche den Bahnsteig völlig außer Atem und verschwitzt als der Zug einfährt. Er wartet bereits zwei Minuten auf mich.) Mit einem professionellem Blick erkennen wir den Waggon der die bestmögliche Herberge für die nächsten 75 Minuten sein soll.

Wir finden Platz auf einem Zweisitzer. Während er fast sofort in einen wachkomaähnlichen Zustand fällt, bin ich rastlos. Meine Nahrungsaufnahme bestand hauptsächlich aus RedBull und Ibuprofen, dazu diese fantastische Reizüberflutung die ich vor wenigen Momenten erlebt hatte. Es soll noch nicht das Ende des Abends gewesen sein.

In Düsseldorf steigen drei Checker ein wie sie im Buche stehen. Zu meiner Freude sitzen sie direkt in meinem Blick-und Hörfeld. Sie sind gerade so alt, dass sie Auto fahren dürfen. Des einen größtes Problem besteht zu diesem Zeitpunkt in einer Frau. ‚Ja aber ey guck ma, ich mein was ist das für ein Mädchen die um diese Zeit noch rausgeht!‘ (Ich gucke noch mal auf die Uhr. Kurz nach elf, Samstagabend.) ‚Ey, die kannste doch erziehen‘, ermutigt ihn sein Kollege. Aus Versehen lache ich kurz laut auf und ernte böse Blicke von den Dreien. Ich fühle mich ungezogen.

Gebrüll. Geschrei. Oder ist es Gesang? Von meinem Platz aus sehe ich, wie ein Mann wild gegen die Toilettentüre schlägt. Er benutzt ganz furchtbare Wörter, im Wesentlichen geht es darum, dass er nicht verstehen kann weshalb wirklich jede Bahntoilette besetzt ist wenn er mal kacken muss. Dann endlich schließt jemand auf und er kann die Toilette benutzen. Was ihn aber nicht zum Schweigen bringt. Er sitzt auf’m Pott und singt laute fröhliche Lieder. Der Zug hält. Er öffnet die Klotüre und stellt erschrocken fest, dass der Zug bereits am Düsseldorfer Flughafen angekommen ist und er bezweifelt lautstark, dass er bis Duisburg mit seinem Geschäft fertig ist. Sicherheitshalber lässt er die Türe einen Spalt auf um seinen Halt nicht zu verpassen.
Die Männer vor uns fallen einstimmig in anerkennenden Applaus ein. ‚Da fährt man einmal deutsche Bahn und dann sitzt man direkt erste Reihe! Großes Kino!‘ Mich wundert, dass sie es wundert.

Etwas, dass sich anhört wie ein polnischer Kegelclub und auch so aussieht und vielleicht auch einer ist, steigt in unseren Waggon ein. Setzt sich um uns herum. Sie trinken billigen Wein aus Plastikbechern auf denen Luftballons gedruckt sind. Für Wein aus Plastikbechern wird man wohl weder zu alt noch zu verzweifelt, denke ich beunruhigt.

Glockenläuten. Schon wieder. Im Zug. Was das wohl bedeutet. ‚Was bedeutet das?‘, frage ich ihn. ‚Weissnich.‘, murmelt er schläfrig. Der Schaffner kommt. Ich zeige das Ticket vor, traue mich aber nicht nach dem seltsamen Läuten zu fragen. ‚Ey‘, wecke ich ihn unsanft, ‚frag den Schaffner mal, was das Glockenläuten bedeutet.‘ Es ist ja nicht so, dass er wahllos tut was ich sage, es war wohl eher eine schläfrige Übersprungshandlung. Und auf jeden Fall war der Schaffner schon weiter und darum schrie er furchtbar laut im Affekt nach diesem. Ich war geschockt. Er auch. Der Schaffner drehte sich verwirrt um und wir verkrochen uns beschämt. Eigentlich ist es ja auch egal, was das Glockenläuten bedeutet.

Dortmund. Raus hier.

Veröffentlicht unter Bahngeschichten | 2 Kommentare