Partyzug

Dortmund Hbf. Es ist Freitagmorgen, es regnet. Ich hatte noch keinen Kaffee, ich hasse Menschen.

Und dann plötzlich höre ich Musik, wie ich sie bloß aus der Kölner Altstadt kennne. Als ich den Blick vom Boden hebe sehe ich das Unheil. Junggesellenvereine, Kegelclubs, Hausfrauencliquen. Alle fein säuberlich durcheinander in der Bahnhofshalle gruppiert, sie trinken Sekt, Kurze und Biermixgetränke. Die Ghettoblaster haben bereits die DB-Sicherheit vom Frühstückstisch gelockt und so diskutieren sie über den Mehrzweck von einer Beschallung des Bahnhofs durch den Wendler.

Ich flüchte mich auf den Bahnsteig. Die Anzeigetafel sagt ‚Partyzug‘.  Auf dem anderen Bahnsteig ebenfalls. Und dann fährt er ein, der erste Partyzug. Es sieht aus wie eine Deportation, wie eine gute. Mit Michael Wendler Soundtrack.

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16/08/2010

Vielleicht habe ich einfach ein ganz besonders schlechtes Bahnfahrkarma. Kann ja sein.

Um 17:44h wollte ich den RE1 von Dortmund nach Köln nehmen. Montag, Regen und die Anzeigetafel sagt um 17:25h, dass der Zug ausfällt. Auf dem Bahnsteig sitzt eine belagerte Service-Dame der DB und druckt fleißig alternative Verbindungen aus. Mehrere Fahrgäste fragen, ob es möglich sei den IC um 17:37h bis nach Essen zu nehmen, von wo der RE1 dann die normale Strecke weiter fahren würde. Das ginge aber aus Gründen nicht, sagte sie.

Dann auch endlich die Durchsage: ‚Bitte beachten Sie, dass RE1 von Hamm nach Aachen auf Gleis 16 heute wegen (lange Pause) ehm… einer Streckensperrung ausfällt. Wir bitten um Entschuldigung.‘

Ich marschierte dann zu einer weiteren Service-Dame um herauszufinden, weshalb die DB den IC um 17:37h nicht freigeben möchte. Service-Dame 2 sagte dann, der IC sei bereits überlastet. Ein bisschen böse werdend sagte ich ihr, dass ich zurück auf’s Gleis gehe und ihr dann Fotos von den leeren Waggons zeigen werde. Dann wurde sie auch böse und sagte, ich solle mich mal nicht so anstellen und froh sein, denn das Ruhrgebiet sei überhaupt das einzige Bundesland welches Züge frei gibt. Und der ICE um 18:12h würde dann ja freigegeben werden. Vor Lachen und Wut musste ich das Gespräch dann unhöflich abbrechen und ich lief zurück zum Bahnsteig, wo der nur zur Hälfte besetzte aber ‚überlastete‘ IC einfuhr. Mehrere Fahrgäste und ich schätzten die Gefahr ab, einfach trotzdem in den IC einzusteigen. Einige diskutierten sogar noch mit dem Schaffner als eine Durchsage kam, die den Schaffner scheinbar dazu aufrief, alle Diskussionen abzuweisen und die Fahrgäste genauer zu kontrollieren.

Das war nicht lustig, liebe Deutsche Bahn.

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Die Deutsche Bahn fördert wieder.

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14-07-2010

Außer mir sitzt fast niemand in der S-Bahn und trotzdem setzt sich der biertrinkende Junkie neben mich. Er schnauft und friert, draußen sind es 35 Grad. Zwischen Ekel und Höflichkeit hin und hergerissen bleibe ich neben ihm sitzen. Konsequent und eingeschüchtert starre ich gegen die Scheibe. Nach endlosen Minuten beugt er sich nach vorne um mir ins Geischt sehen zu können. Weil es ich es ignoriere, piekst er mich penetrant mit seinem Zeigefinger in den Oberarm. ‚Cigarette‘?, fragt er. Endlich kann ich mich begründet und in meinen Vorurteilen bestätigt wegsetzen. ‚Schlampe!‘, schreit er auf russisch hinterher. ‚Du mich auch‘, antworte ich im Weggehen mutig auf deutsch.

Langsam füllt sich die Bahn wieder. Lauter Teenager sind auf dem Weg ins Kölner Nachtleben um den ersten Ferientag zu feiern. Alle sind dankbar über die eintreffende Bahn, die trotz des Unwetters pünktlich ist. Wir alle wissen um unser Glück. Bis Köln-Nippes. Weil irgendwas ist ja immer.

‚Aufgrund eines Personenunfalls im Kölner Hauptbahnhof wird sich die Weiterfahrt auf unbestimmte Zeit verzögern.‘

Mehr zum Unfall.

Eine Odysee durch Kölner Bezirke und zwei Stunden später erreiche ich mein Ziel.

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Movie Park

Ich mag Kinder und Jugendliche, ehrlich. In ihrer natürliche Umgebung. Also zu Hause und auf Spielplätzen, im Kindergarten und in Schulen, wo sie nun mal hingehören. Dass sich besonders viele dieser Exemplare im Movie Park aufhalten, daran hätte ich denken können. Das kam mir in meiner Vorfreude auf den Trip und in meinem Egozentrismus aber nicht in den Sinn.

Schon der Hinweg verlief nicht ohne Komplikationen. Von Dortmund aus fährt eine neumodische Bimmelbahn direkt zum Bahnhof am Movie Park. Das wussten nicht nur wir, sondern auch einige Lehrerinnen mit ihren Schulklassen. Es gab nicht einen freien Sitzplatz, außer in der ersten Klasse. Dort herrschte aber der Schaffner über das Geschehen. Zudem roch es überall nach Wurstbroten und Cola und Schulkindern. Und dann das euphorische Geschreie! Wir stiegen wieder aus.

Laut Alternativ-Plan sollten wir dann mit der S-Bahn nach Wanne-Eickel fahren und von da aus nach Feldhausen. Das ist der Bahnhof am Movie Park. Der Trick der Bahn in der Sommerzeit ist, dass ein zweiter Zug von Wanne-Eickel nach Feldhausen fährt, der aber nicht im Plan verzeichnet ist. Es ist auch nur ein guter Trick, wenn man ihn kennt. Denn der Zug selber ist bloß mit einem Schild ‚Sonderzug‘ ausgestattet, ohne Angabe von Ziel und Weg. Wir liefen an einer ratlosen Schulklasse vorbei die glaubte, eine weitere Stunde auf den Zug zum Movie Park warten zu müssen. Und, oh Karma!, wir liefen schweigend an ihnen vorbei und hatten den Zug für uns allein. Abgesehen von der Förderklasse, deren Lehrerin mich ausdrücklich fragte, wo der Zug wohl hinfahren würde.

Auf der Rückfahrt teilten wir den Zug mit allen Schulkindern, denen wir am Morgen aus dem Weg gegangen waren. Ich ergatterte Murphys Gesetz nach den freien Platz neben dem dicksten Mann aus dem Zug. (Immer. Immer der dickste Mann sitzt neben mir.) Er hatte Mühe sich auf seinem Platz zu halten und rutsche alle paar Minuten von seinem Sitz. Wirklich schlimm aber war das Klackern, das aus seinem Körper kam. Die erschöpften Kinder im Zug gaben kaum einen Ton von sich, das Klackern erschien mir wie tosender Lärm. Noch tösender aber waren meine Gedanken, mit welchem Körperteil er diesen Ton erzeugte. Um keine Spannung aufzubauen: Ich habe es nicht rausgefunden.

In Essen mussten wir umsteigen. Bei der Neugestaltung des Bahnhofs war es sehr vorausschauend einen Supermarkt in den Komplex zu bauen. Dank der verlässlichen Verspätung der Bahn, hatten wir genug Zeit um noch einkaufen zu gehen.

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England – Deutschland

Ich fühle mich wie ein Vaterlandsverräter, als ich mich um 15:50h auf den Weg zum Bahnhof mache, in der Hoffnung einen leeren Regionalexpress nach Dortmund zu bekommen. Obwohl in nur zehn Minuten das WM Spiel Deutschland – England angepfiffen wird.

Am Kölner Hauptbahnhof angekommen bin ich doch nur noch ein halber Verräter. 45 Minuten muss ich auf meinen Zug warten, genau die 45 Minuten der ersten Halbzeit. Etwa 100 sich fremde Reisende stehen vor der Leinwand. Erstes Tor. Wir sind jetzt Freunde, alle irgendwie. Noch ein Tor, noch bessere Freunde. Fast hätten sich fremde Menschen umarmt, noch sind wir aber in Deutschland. Das Englandtor interessiert niemanden.

Der Zug ist tatsächlich leer. Mir schräg gegenüber sitzen zwei dicke Mädchen, die den Fußballkommentar im Handyradio hören. Dabei essen sie Schokoladenkekse. Nach jedem Keks stecken sie sich ihre dicken Fingerchen in den Mund und lutschen sie genüsslich ab. Der Frau daneben wird das nach nur fünf Minuten zu viel, sie setzt sich demonstrativ zwei Reihen weiter.

Der Schaffner begrüßt alle neu zugestiegenen Fahrgäste und gibt noch schnell das Ergebnis der ersten Halbzeit durch.

Bei Düsseldorf jauchzen die beiden Mädchen auf. Tor für Deutschland. Am Düsseldorfer Flughafen jauchzen sie schon wieder. Auch der Schaffner meldet sich zu Wort und gibt in Stadionmanier das Ergebnis und die Torschützen durch. Alle 12 Fahrgäste im Zug sind außer Rand und Band.

Die dicken Mädchen sind schon wieder hungrig. Irgendwo im Koffer ist noch eine Packung Butterkekse. Und tatsächlich, sie packen den Koffer aus. Schmutzige Wäsche fällt auf den Gang, aber sie sind erfolgreich. Die Krümelmonster kauen wieder. Ich starre sie 75 Minuten unhöflich an. Hin und wieder grinst mir eine der beiden zu.

Bei Bochum ist das Spiel vorbei und der Schaffner verbreitet ein letztes mal Nationalstolz unter Freudentränen seinerseits.

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Bahnfahren. Ein Exposé.

Aus beziehungstechnischen und universitären Gründen benutze ich überdurchschnittlich oft die mobilen Gerätschaften der Deutschen Bahn. Auch die der jeweils lokalen Verkehrsverbünde. Mein Leben wäre weitaus weniger stressig, könnte ich all diese Fahrten vermeiden. Ich hätte aber auch weitaus weniger erlebt.

Dass die Deutsche Bahn nur mit Verspätung eintrifft, ist schon fast kein unbestätigtes Gerücht mehr. (Wobei sie keine Verspätung hat, wenn man es selbst nicht rechtzeitig zum Bahnsteig schafft.)Die Gründe für Bahnverspätungen variieren, und das manchmal von Station zu Station. Im gleichen Zug. Auf dem Weg von Köln nach Dortmund höre ich fünf verschiedene Verspätungsgründe. In Leverkusen heißt es, es wären spielende Kinder auf der Strecke. (Wo sollen die Leverkusener Kinder sonst auch hin.) Wir warten also, dass die Polizei die Strecke wieder freigibt. In Düsseldorf bleiben wir ein bisschen länger, weil wir einen Fernverkehrzug überholen lassen wollen. (Wer zuerst kommt mahlt zuerst gilt nicht bei der Deutschen Bahn.) In Duisburg stehen gefährliche postpubertäre Randalen in der Tür und geben diese nicht frei, obwohl der Zugbegleiter freundlich darauf hinweist, dass wir gerne abfahren würden. Dabei stehe ich auf dieses künstliche Hinauszögern der Weiterfahrt. Die Frau neben mir telefoniert mit ihrer besten Freundin, sie hat eine laute und deutlich in mein Ohr dringende Stimme. Sie vermisst eine Tupperschüssel, so eine grüne, sie könnte entweder bei ihrer Schwester sein oder aber in ihrem Keller. Überhaupt, die Schwester hat schon viel an sich gerissen. Eine leicht hysterische Stimme vom anderen Ende des Zuges schreit, dass ihr scheißegal ist, wo die Tupperschüssel sei. Ein älterer Mann mischt sich ein, ob es denn keine handyfreie Zonen in den Zügen gäbe. Ein jüngerer Mann fragt ebenso genervt, ob es keine rentnerfreien Zonen in Zügen gäbe. Kindergeschrei. Zwei Mitfahrer verlangen gleichzeitig kinderfreie Zonen. Verspätung mittlerweile 37 Minuten. Wir erreichen Mühlheim an der Ruhr. Der Zug ist jetzt nicht nur verspätet sondern auch übervoll. Rucksäcke drücken sich in Gesichter sitzender Menschen. Die erste Klasse oben ist frei, aber da ist die Deutsche Bahn konsequent, der Mob hat da nichts zu suchen. Kurz vor Essen, wieder eine Durchsage. Störungen im Betriebsablauf haben die nun 39 Minuten Verspätung verursacht, die Bahn bittet dies zu entschuldigen. Was bleibt uns anderes übrig. Kurz vorm Wahnsinn stelle ich mir vor, wie Bahnmitarbeiter Provisionen für die kreativsten Verspätungsgründe kassieren. Und wie ein Zugbegleiter einen Bonus erzielt, indem er die meisten Gründe in nur einer einzigen Fahrt durchsagt.

Vor mir sitzen Jugendliche deren Lautsprecher ihrer mobilen Endgeräte von wahnsinnig schlechter Qualität sind. Das hält sie leider nicht davon ab auf höchster Lautstärke die aktuellen Charts durchzuspielen. Immer nur die ersten 15 Sekunden. Etwa. Gleich dreh ich durch. Das Buch das ich lesen wollte, habe ich bereits in Deutz wieder in die Tasche gepackt. Der Mann der mir gegenüber sitzt, riecht aufdringlich nach Alkohol. Die Frau neben mir riecht aufdringlich nach billigem Parfum, zudem reicht der für sie zugedachte Platz des Sitzes nicht ganz aus, sie sitzt halb auf mir drauf. Bochum. Der Zugbegleiter hat ein Anliegen. Im letzten Wagon sitzt in kleiner farbiger Junge, er ist vier Jahre alt und heißt Duke oder so, wenn ihm jemand gehöre möge er sich bitte melden. Noch eine Station.

Kurz vor Dortmund, die letzte Durchsage. Wir wünschen allen aus- und umsteigenden Fahrgästen noch einen angenehmen Abend. Wir erreichen Dortmund mit einer Verspätung von 42 Minuten aufgrund hoher Streckenauslastung. (ES IST JEDEN TAG DIE GLEICHE AUSLASTUNG!!!! Uns kann man es ja erzählen.) Der Ausstieg befindet sich in Fahrtrichtung rechts.
Ich korrigiere, links.

Ich bin fertig mit der Welt, trotz oder gerade wegen professioneller Pendlerei. Ich brauche einen heißen Kakao und eine Gruppentherapie.

Auf dem Rückweg springt in Wattenscheid ein Mann vor den Zug. Ein anderes Mal verhaut eine betrogene Frau ihre Nebenbuhlerin. (Das war filmreif, der ganze Auftritt so insgesamt.) Die unendlichen Kontrolleur-Diskussionen sind in keiner Weise wiederzugeben. Ein Mann der sich neben mich setzt, vorgibt zu schlafen und dennoch immer näher ranrutscht und es auch nach zwei sehr deutlichen Hinweisen meinerseits nicht sein lassen kann. Zwei rauchende Männer im Abteil, zwei die sie aus diesem Grund schlagen möchten. Streitende Pärchen, endlose Telefongespräche. Bäume auf den Gleisen. Glätte. Und manchmal einfach nur Regen.

Sollte jemand wissen, was aus Duke geworden ist, so möge er sich bitte bei mir melden.

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